Salzkriechen
Es regt sich, geht von früh auf die Suche. Ist begehrlich, schreit. Hat nicht, was es will.
Wenn eine gesättigte Salzlösung z.B. in einem Wasserglas weiter eintrocknet, dann kristallisiert Salz aus – eigenartiger Weise so, daß von der Lösung aus eine Salzschicht innen an der Gefäßwand hochkriecht (wobei „kriechen“ schon ein zu schnelles Wort ist für den unmerklich langsamen Prozess). Füllt man ständig Salzlösung nach, dann überwindet die Salzschicht den Rand und kriecht außen am Gefäß hinunter, um sich ringsum auszubreiten. Dabei werden im Weg liegende Gegenstände überwuchert. Je nach (Versuchs-) Aufbau und zufälligen Einflüssen verläuft dieser Prozess in höchst unterschiedlicher, meist unberechenbarer Weise.
permanente Kosmogonie
Man kann immer von neuem anfangen, z.B. mit Salz. Man setzt Salzlake an, eigeninitiativ kriecht Salz aus, man verliert sich in Korrosionen — — — später mag wieder Leben entstehen, Konstrukte erzeugen Konstrukteure, und wieder setzt jemand Salzlake an.
„Wir fangen leer an. Ich rege mich. Von früh auf sucht man. Ist ganz und gar begehrlich, schreit. Hat nicht, was man will.“ (Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, 1980)